Klassifikation
Als „Schimmelpilze“ bezeichnet man umgangssprachlich eine heterogene Gruppe von Pilzen, die sich aus taxonomisch verschiedenen Verwandtschaftsgruppen filamentöser (=fadenartiger) Pilze zusammensetzt. In erster Linie handelt es sich dabei um Vertreter der Schlauchpilze (Ascomycota) und der Jochpilze (Zygomycota*) sowie der Imperfekten Pilze (Deuteromycota).
*Aus wissenschaftlicher Sicht ist das taxonomische Konzept hinter der Bezeichnung „Zygomycota“ nicht mehr haltbar. Der Begriff gilt daher als veraltet und wird in der neueren Literatur nicht mehr geführt. Die ehemals zugehörigen Arten sind nun auf verschiedene systematische Gruppen verteilt. Da sich die Fachwelt über die Gliederungsprinzipien noch nicht einig ist, wäre eine Darstellung der betreffenden Gruppen an dieser Stelle zu komplex.
Vorkommen
Schimmelpilze treten dort auf, wo sie ein ausreichendes Nahrungsangebot vorfinden und wo die grundlegenden Parameter Feuchtigkeit und Temperatur ein Wachstum ermöglichen. Da die meisten Vertreter keine besonderen Ansprüche an ihre Umgebung stellen, findet man sie nahezu überall auf organischen Substraten jeder Art. An Land und im Wasser, im Erdboden, sowie in und auf lebenden Pflanzen,Tieren und anderen Pilzen. Ihre Verbreitungseinheiten (Sporen) lassen sich nahezu ubiquitär in der Luft nachweisen, selbst an Orten, wo kein aktives Wachstum erfolgen kann. Dementsprechend finden sich die Pilze auch in menschlichen Behausungen. Auffällig werden sie dort vor allem als Kontaminanten von Nahrungsmitteln und Baustoffen.
Lebensweise
Schimmelpilze treten in aller Regel als sogenannte Myzelien in Erscheinung, die mit bloßem Auge bereits gut erkennbar sind. Diese mehrheitlich spinnwebähnlichen, watteartigen oder filzigen Geflechte sind meist weiß, gelblich, bräunlich oder grau gefärbt. Sie setzten sich aus einer Vielzahl fadenartiger verzweigter Strukturen zusammen, den Hyphen (Pilzkörper). Sie können unter Umständen noch mit einer guten Lupe wahrgenommen werden. Durch einfache Teilung können die einzelnen Hyphenzellen wachsen und damit das Myzel vergrößern. Fast immer werden an den Myzelien unter Beteiligung spezieller Hyphen auch Fortpflanzungsstrukturen gebildet. Diese sind ausgesprochen vielgestaltig und dienen als vorrangige Merkmale bei der Bestimmung. Je nach Art und Lebensweise können Schimmelpilze meist verschiedene Typen von Fortpflanzungsstrukturen entwickeln, die entweder der geschlechtlichen oder ungeschlechtlichen Vermehrung dienen. Am häufigsten dürften die sogenannten Sporenträger (Konidiophoren) zu finden sein, die der Vermehrung durch asexuell gebildete Sporen (Konidien) dienen. Diese werden oft in großer Zahl gebildet und sind dann in ihrer Gesamtheit auch ohne Vergrößerung leicht als grüner, schwarzer oder andersfarbiger „Schimmel“ zu erkennen. Durch die massenweise Freisetzung von Sporen an die Umgebung ist für eine schnelle Verbreitung der Pilze gesorgt.
Die wohl wichtigste Rolle für das erfolgreiche Wachstum von Schimmelpilzen spielt mit Sicherheit die Feuchtigkeit. Ab einer relativen Luftfeuchte von ca. 70 % an der Oberfläche von Materialien können diese von Schimmelpilzen besiedelt werden. Daneben kommt auch der Temperatur eine gewisse Bedeutung zu. Stark verallgemeinert kann man sagen, dass ein Wachstum bei Schimmelpilzen über eine Temperaturspanne von 0 °C bis 60 °C möglich ist. Je nach Spezies sind die Präferenzen bezüglich des optimalen Temperaturbereichs innerhalb dieses Rahmens enger oder weiter gesetzt und können die genannten Grenzen sogar über- bzw. unterschreiten. Ebenfalls eine – wenn auch eher untergeordnete – Rolle spielen der pH-Wert (bevorzugt im sauren Bereich), die Verfügbarkeit von Sauerstoff (hier genügen schon kleinste Mengen) und bisweilen auch der Einfall von Licht, der bei einigen Arten die Sporenbildung stimuliert.
Neben all diesen Begleitparametern spielt das jeweilige Substrat eine ganz entscheidende Rolle für den Wachstumserfolg der Schimmelpilze. Aus dem Substrat werden letztendlich die Nährstoffe aufgenommen, welche für den Aufbau von Biomasse (= Wachstum) benötigt werden. Dabei bevorzugen die meisten Schimmelpilze eine saprobiontische Lebensweise, entweder zur Gänze oder zumindest in bestimmten Abschnitten ihrer Lebensszyklen. Sie nehmen damit im Stoffkreislauf der Natur die Rolle sogenannter Destruenten (zu Deutsch „Zersetzer“, abgeleitet vom lateinischen Verb „destruere“ = zerstören) ein und bewirken den Abbau toten organischen Materials. Diese „Resteverwerter“ unter den Pilzen spielen beim Befall in Innenräumen die entscheidende Rolle. Die bevorzugten Baumaterialien in diesem Bereich bestehen größtenteils genau aus den Substraten, die von saprobiontischen Pilzen auch in der freien Natur verwertet werden, nämlich totes organisches Material. Sei es nun Holz, Karton, Stoff oder Leder, alles davon stammt ursprünglich von Pflanzen oder Tieren und enthält damit den wertvollen Kohlenstoff, den die Pilze für ihr Wachstum benötigen.
Gesundheitliche Aspekte
Neben der ästhetischen Beeinträchtigung und den wirtschaftlichen Schäden, die ein Befall mit Schimmelpilzen mit sich bringt, sind es vor allem die gesundheitsschädlichen Aspekte, welche man nicht außer Acht lassen sollte. Wie in vielen Fällen gilt auch hier: Die Dosis macht das Gift. Doch gerade bei Schimmelpilzen wird die „kritische Dosis“ zum einen schnell erreicht, zum anderen aber auch gerne unterschätzt.
Die mit Sicherheit häufigsten Folgen einer erhöhten Schimmelpilz-Exposition über längere Zeit sind allergische Reaktionen auf die freigesetzten Sporen. Laut der Unfallkasse Sachsen (2008) sind ca. 10-15 % der deutschen Gesamtbevölkerung Schimmelpilzallergiker. Die Symptome einer Allergie sind vielfältig: Eine Rhinokonjunktivitis kann z. B. durch eine permanente Innenraumbelastung mit Vertretern der Gattungen Aspergillus und Penicillium hervorgerufen werden. Sie kann sich durch eine Verengung der Atemwege, Brennen und Tränen der Augen, Hautreaktionen, Niesreiz und Fließschnupfen äußern. Beim Asthma bronchiale treten starker Husten, Engegefühle in der Brust bis zu akuter Atemnot auf. Starke Hautreizungen, die sich in Form von Quaddeln oder Erythemen (Hautrötungen) äußern sind typische Symptome einer Nesselsucht (Urticaria). Die Hautirritationen erinnern an Reizungen, die durch Kontakt mit Brennesseln (Urtica spp.) verursacht werden. Die Exogen-allergische Alveolitis (EAA) tritt nur selten auf. Ihre Symptome ähneln denen einer Lungenentzündung. Zusätzlich können Grippesymptome hervorgerufen werden.
Heutzutage weitaus seltener, wenn auch längst nicht ausgeschlossen, sind Vergiftungserscheinungen in Folge einer Aufnahme von Nahrungsmitteln, die mit Mykotoxinen belastet sind. Einige Mykotoxine stehen außerdem unter Verdacht, über die Haut oder die Atemwege in den menschlichen Körper gelangen zu können. Diese Pilzgifte werden von vielen Schimmelpilzen in Form sogenannter Sekundärmetabolite (Stoffwechselnebenprodukte) gebildet. Der eigentliche Zweck von vielen dieser chemischen Verbindungen ist die Abwehr von Fressfeinden und die Hemmung bakterieller und pilzlicher Konkurrenz im Kampf um Ressourcen. Manche dieser Stoffe sind für den Menschen von Nutzen (z.B. das Penicillin als Antibiotikum), die meisten jedoch verursachen auf Grund ihrer toxischen Wirkung gesundheitliche Schäden. So verursacht beispielsweise die prominente Gattung Fusarium immer wieder Mykotoxinbelastungen bei Getreide und Getreideprodukten. Der Verzehr dieser mit Fusarientoxinen kontaminierten Nahrungsmittel kann zu ernsthaften Erkrankungen führen, die bisweilen auch tödlich enden. Besonders gefährdet sind Kinder, da bei ihnen die tolerierbaren Grenzwerte schnell überschritten sind. Zu den Symptomen einer Vergiftung zählen unter anderem Kopfschmerzen, Krämpfe, Erbrechen, Durchfall, starke Hautentzündungen, aber auch Wachstumsstörungen oder eine Hemmung der Blutbildung.
Bedeutende Vertreter (Auswahl)
Alternaria spp.
Aspergillus spp.
Cladosporium spp.
Fusarium spp.
Mucor spp.
Penicillium spp.
Stachybotrys spp.